Rencontres d’Arles 2012: Festival-Programm ist online

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Veranstaltung
Rencontres d'Arles 2012 Banner

Bereits Ende März wurde das Programm der Rencontres d’Arles 2012 auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Höchste Zeit also, einen Blick auf das kommende Fotofestival in Arles zu werfen. Was erwartet die Besucher der Festivitäten in diesem Jahr? Klar ist, dass der Fokus der diesjährigen Rencontres auf der „französischen Schule“ der Fotografie liegen wird.

Im Gegensatz zu den vergangenen zwei Ausgaben der Rencontres d’Arles richtet sich der Blick der diesjährigen Ausgabe nicht nach Außen, sondern man ehrt die französische Fotoszene, allen voran die ebenfalls in Arles ansässige ENSP, die École Nationale Supérieure de Photographie. Dementsprechend lautet das Motto des Fotofestivals in diesem Jahr »une école française« – eine französische Schule.

Die Rencontres d’Arles 2012 – Fotofestival mit Tradition

Nun bereits in der 43. Ausgabe findet jährlich von Juli bis September das Rencontres d’Arles Fotofestival statt. Das kleine Städtchen im Süden Frankreichs verwandelt sich in dieser Zeit in eine große Galerie. Überall stößt man auf Ausstellungen, nicht nur von dem offiziellen Programm, sondern auch des umfangreichen Off-Festivals, dem Voies Off. Die Gastfreundlichkeit der Arlésienne, das garantiert gute Wetter und die internationale Atmosphäre sorgen dafür, dass man nicht nur Kunst zu sehen, sondern auch Erholung bekommt.

Wie jedes Jahr in der ersten Juli-Woche, werden die Ausstellungen vom 02.06. bis 08.06 durch das umfangreiche Eröffnungsprogramm ergänzt. Besucher haben während dieser Zeit die Möglichkeit, Symposien, Führungen, Workshops, Vorträge und Video-Projektionen zu besuchen. Höhepunkt ist die »La Nuit De L’Anee« (Nacht des Jahres), in der Slideshows von fotografischen Arbeiten gezeigt werden – Agenturen Zeitschriften und Sponsoren (aus Deutschland u.a. Ostkreuz, Laif, Stern, GEO) bekommen jeweils einen Zeit-Slot auf einer der vielen Leinwände. In der 2011 Ausgabe der Rencontres, wurden die Projektionen leider in der vollkommen überfüllten Arena gezeigt. Die Veranstalter gaben bekannt, dass die abendliche Veranstaltung in diesem Jahr wieder in den Straßen der Stadt stattfinden wird. Das ist eine sehr gute Entscheidung.

Die Anreise nach Arles ist problemlos. Der Flughafen Marseille ist via Bus und Bahn sehr gut angebunden. Seit März 2012 fährt sogar ein TGV zwischen Frankfurt und Marseille. Unterkünfte in Arles sind, zumindest während der Eröffnungswoche, nur schwer zu bekommen. An den Rändern der Stadt befinden sich aber Campingplätze, auf denen man eigentlich immer einen Platz bekommt. Als Startpunkt genutzt, können die Ausstellungsorte von dort aus problemlos zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreicht werden. Das Festivalticket kostet während der Eröffnungswoche 46 Euro, für Kurzbesucher, die gerade in der Region sind, bieten sich günstigere Teil-Tickets an.

Martin Parr und Erik Kessels führten im Jahr 2011 durch die Ausstellung »From Here On«

Rencontres Ausstellungsübersicht – Die thematischen Pfade

Das Festival ist in unterschiedliche Pfade aufgeteilt, die jeweils ein getrenntes Thema bearbeiten. Die Rolle, die die Fotoschule ESPN in diesem Jahr einnehmen wird, ist beachtlich. Doch auch Freunde der internationalen Fotografie kommen auf ihre Kosten.

Es lohnt sich, sich vor dem Besuch des Festivals ein genaues Bild darüber zu machen, welche Ausstellungen einen erwarten. So kann man im Vorfeld seinen persönlichen Plan zusammenstellen, um das zu sehen, was einen wirklich interessiert (trotzdem sollte man natürlich immer offen für Neues sein). Der Besuch von mehr als zwei Ausstellungen am Tag ist meiner Erfahrung nach nicht möglich, um die Aufnahmefähigkeit nicht zu strapazieren.

Alle Pfade in der Übersicht

— Diversity
— Ehemalige Studenten der ENSP
— Dozenten, Fotografen und Gründer der ENSP
— Sammlungen – kuratiert von ehemaligen Studenten der ENSP
— Der Discovery Award
— Weitere Veranstaltungen

Pfad 1: Diversity

Unter dem Punkt »Diversity« werden eine Reihe von Ausstellungen zusammengefasst, die das ESPN-lastige Festivalprogramm ergänzen.

Die Jan Mulder Collection

Mit der Präsentation der »Jan Mulder Collection« aus Lima, Peru, möchten die Veranstalter einen Einblick in den aktuellen Stand der lateinamerikanischen Fotografie geben. Damit knüpft das Festival an den Süd- und Mittelamerika-Fokus der Rencontres aus den Jahren 2010 und 2011 an. Die Collection des Sammlers Jan Mulder beinhaltet jüngste Arbeiten aus den Jahren seit der Jahrtausendwende.

Josef Koudelka – Gpysies

Mit Josef Koudelka erfährt ein großer Name eine Würdigung und ein Klassiker der Fotobuchgeschichte eine Aufarbeitung. Josef Koudelka ist Magnum Mitglied und wurde durch seine Dokumentation der sowjetischen Invasion der Tschechoslowakei bekannt, deren Bilder um die Welt gingen. Unter der kommunistischen Unterdrückung publizierte er zunächst unter dem Pseudonym P.P. und erlangte 1970, nach seiner Flucht in den Westen, weltweite Anerkennung und Preise für seine Fotos. Eine seiner ersten Publikationen war das Buch Gypsies (erschienen 1975 bei Delpire). Das Buch wurde Ende 2011 neu aufgelegt und bietet damit Sammlern die Möglichkeit, günstig an das Buch heranzukommen (erschienen bei Aperture). Die Ausstellung in Arles zeigt anlässlich der Wiederveröffentlichung 109 Fotografien und bisher unveröffentlichte Dokumente, die den Entstehungsprozess des Buches verdeutlichen.

Amos Gitai

Ebenfalls unter dem Punkt »Diversités« wird eine Arbeit des Regisseurs Amos Gitai ausgestellt. Was die Besucher unter diesem Punkt genau erwartet, ist nicht ganz eindeutig. Fest steht, dass es sich um eine Installation handelt, die gerade in der ehemaligen Kirche »Église des Frères Prêcheurs« in Arles entwickelt wird und auch dort ausgestellt werden wird.

Klavdij Sluban und Laurent Tixador

Zwei Künstler wurden von vier französischen staatlichen Institutionen (u.a. dem französischem Ministerium für Kultur und Kommunikation und der Administration der Französische Süd- und Antarktisgebiete (TAAF)) für einen dreimonatigen Aufenthalt in Port-aux-Français auf der arktischen Forschungsinsel Kerguelen ausgewählt und dorthin eingeladen. In der Abgeschiedenheit und umgeben von dem regulären Forschungspersonal, sollten sie ihre Kreativität in Form eines Kunst-Projektes ausleben. Die Gewinner Klavdij Sluban und Laurent Tixador wurden aus 440 Bewerbern ausgewählt. Beide werden die Ergebnisse ihrer Arbeit in Arles ausstellen.

Klavdij Sluban ist bekannt für seine sehr persönlichen, rauhen schwarz-weiß Reportagen und subjektiven Sichtweisen. Er bereist dafür vor allem die Länder des ehemaligen Ostblocks. Die Zeit auf Kerguelen nutze er für ein Fotoprojekt in dem er die Konzepte von Reise und Einsperrung thematisiert.

Laurent Tixador arbeitet mit Selbst-Experimenten bei denen es um Selbsterfahrung und Isolation geht. Er lebte als Höhlenmensch, baute 10 Tage an einem Tunnel oder lebte drei Wochen in einem Keller. Dabei wird das Erlebte mit Fotoapparaten und Videokameras begleitet. Den Abschluss jeden Projekts bildet die Präsentation im Ausstellungsraum, wobei er dort Gegenstände und Werkzeuge ausstellt werden, die er während seines Projekts sammelte. Für das aktuelle Projekt arbeitete Tixador gemeinsam mit den Wissenschaftlern vor Ort. Man darf gespannt sein, wie er auf die Extreme der Inselerfahrung reagierte und wie die abschließende Arbeit ausfällt.

Publikumsliebling JR präsentierte im Jahr 2009 eine Arbeit auf dem Gelände Parc des Ateliers

Pfad 2: Ehemalige Studenten der ENSP

Seit 1982 bildet die Fotoschule in Arles Fotografen aus. In diesen 30 Jahren absolvierten 860 Studenten das Programm – einige davon erlangten Weltruhm, andere warten noch auf ihren Durchbruch. Dieser Pfad möchte herausragende Arbeiten unterschiedlicher Absolventen präsentieren. Insgesamt werden Fotos von 24 Fotografen ausgestellt. Dazu kommt der Jahrgang 2012 der ESNP, der eine Auswahl an Abschlussarbeiten präsentieren wird, wobei man sich nach Aussage des Dozenten Christian Milovanoff auf eine große Diversität einstellen darf.

Pfad 3: Dozenten, Fotografen und Gründer der ENSP

Unter diesem Porgrammpunkt erhalten drei prägende Fotografen des ENSP eine Würdigung.

Alain Desvergnes war lange als Dozent in den USA tätig, bis er 1979 Direktor der Rencontres wurde. Im Jahr 1982 gründete er im Auftrag des französischen Kultusministeriums die Schule ENSP in Arles, wo er 16 Jahre tätig war. Bei den Rencontres wird die Arbeit »LANDSCAPES AS PORTRAITS / PORTRAITS AS LANDSCAPES« ausgestellt. In dieser Serie beschäftigte sich Desvergnes ursprünglich mit den Landschaften und Personen im Yoknapatawpha County, dem Setting der Romane William Faulkners. Er ergänzte diese Aufnahmen durch Portraits, die er auf weiteren Auslandsreisen aufnahm. Konzeptionell betrachtet Desvergnes Landschaften als Portraits, genauso wie seine Portraits für Ihn Landschaften sind.

Der Fotograf und Autor Arnaud Claass ist seit der Gründung der Fotoschule in Arles als Tutor tätig. Er stellt in Arles seine Arbeit »Le Livre des Traductions« (Das Buch der Übersetzungen) aus. Mit dem Titel verweist er auf die Tätigkeit des Fotografen hin, die Realität des Gesehenen, in die Realität eines Bildes zu übersetzen. Claass ist beschreibt seine Fotografie als »Philosophie in Aktion«. Die Ausstellung zeigt Arbeiten unterschiedlicher Schaffensperioden seit den 1970er Jahren und kombiniert Fotografien und Texte von Arnaud Claass.

Am Place de la République befindet sich das Festivalzentrum des Voies Off im Cour de l’Archevêché

Pfad 4: Sammlungen – kuratiert von ehemaligen Studenten der ENSP

Ausstellungen unter diesem Punkt werden präsentieret von vier ehemaligen Schülern der Schule für Fotografie in Arles .

Die Alinari Archive und eine Ehrung Italo Calvinos

Das Fotostudio Fratelli Alinari in Florenz, Italien, kann auf eine 160 jährige Geschichte zurückblicken. Alles fing an im Jahre 1852, als man als Portraitstudio begann, danach weitete man seinen Tätigkeitsbereich auf kommerzielle und wissenschaftliche Auftraggeber aus. In den 1930er Jahren wandelte sich das Unternehmen in eine Stiftung, die als Verlag, Museum und fotografisches Archiv agiert.

Der Kurator Christophe Berthoud präsentiert Aufnahmen aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert der Archive von Fratelli Alinari mit Hilfe einer Methode des italienische Schriftstellers Italo Calvino. Dieser nutze die Bilder auf dem Tarotkarten-Set Tarot de Marseille als Grundlage für die Geschichten in seinem Roman Schloss, darin sich Schicksale kreuzen. Die Bilder in der Ausstellung werden thematisch um jenes Tarot-Karten Set arrangiert.

Die Sammlung der Société Française de Photographie

Das Zentrale Anliegen der Société Française de Photographie (SFP) ist es, Entwicklungen und Innovationen im Feld der Foto-Technik zu konservieren. Die Geschichte der Fotografie ist eng mit ihrer technischen Entwicklung verknüpft. In den 158 Jahren seit der Gründung, sind viele Fotografien zusammengekommen, die den Weg des Handwerks von ihren Anfängen bis heute nachzeichnen. Die Sammlung teilt sich in zwei Teile. Der eine ist der Bereich »technische Innovationen«, dazu gehören die erste Fotolithographie von Alphonse Poitevin, Experimente der Farbfotografie von Louis Ducos du Hauron und die ersten autochromen Fotografien der Lumière Brüder. Den zweiten Teil bilden »Innovationen in der Anwendung«, wie die ersten Luftaufnahmen Paul Nadars oder die erste Fernübertragung von Bildern, mit Hilfe des Bélinographen. Fotografen und Erfinder nutzen die Publikation der SFP, den »Bulletin«, um ihre Entwicklungen der Öffentlichkeit vorzustellen.

Die Ausstellung wird kuratiert von Luce Lebart und bringt Bilder, Bücher und Dokumente zusammen, um diese historisch bedeutende Sammlung zu präsentieren.

Model Bodies: The Fashion Crux

Die Ausstellung Model Bodies: The Fashion Crux behandelt das Thema der Mode-Fotografie. Ein Teil der Ausstellung sind Mode-Fotografen, im Zentrum steht allerdings die sich sich wandelnde Stellung von Modellen innerhalb der Modeindustrie und unserer Gesellschaft. Dabei wird die Rolle des Modells im Wandel der Geschichte beleuchtet – von der Tätigkeit als besseres »Mannequin« (ursprüngliche Bezeichnung für eine Mode-Puppe) im 19. Jahrhunderts, bis hin zu der ikonischen Bedeutung und dem Celebrity-Tum des Modells im spätem 20. Jahrhundert.

Kuratorin der Ausstellung ist Sylvie Lécallier vom Musée Galliera, früher bekannt unter dem Namen Musée de la Mode de la Ville de Paris, dem Museum für Mode in Paris.

Documents towards an alternative kind of information

In dieser Ausstellung werden Arbeiten aus dem Centre National des Arts Plastiques (CNAP), einem gewichtigen Zentrum der visuellen Künste in Paris, gezeigt. Alle Fotografen, die gezeigt werden, waren einmal Studenten an der ENSP und haben einem dokumentarfotografischen Hintergrund. Eine weitere ihre Gemeinsamkeit ist die Nutzung der Fotografie als kritisches Medium, um unsere Realität zu kommentieren. Die Ausstellung möchte zeigen, wie die Fotografie zum Verständnis unserer Welt beiträgt und wird kuratiert von Pascal Beausse.

Die alten Gebäude in Arles bieten den perfekten Rahmen für Ausstellungen

Der Discovery Award

Jährlich wird bei den Rencontres der »Discovery Award« (Prix Découvertes) vergeben, mit Unterstützung durch die LUMA Foundation. Beim Discovery Award handelt es sich um einen Publikumspreis. Die Besucher können nach dem Besuch der Ausstellung die Stimme für ihren Favoriten abgeben. Vorgeschlagen werden die Kandidaten durch Kuratoren. Jeder der fünf Ernenner empfiehlt drei Kandidaten, von denen er meint, dass sie einem größeren Publikum bekannt gemacht werden sollten. Der Preis ist zusätzlich mit 25.000 Euro dotiert.

Für die Gewinner trägt der Award zu steigender Bekanntheit bei. In den letzten Jahren gehörten zu den Gewinnern des Preises Namen wie Rimaldas Viksraitis mit Farmstead Dreams (2009), Taryn Simon für ihre Serie The Innocents (2010) und im letzten Jahr Mikhael Subotzky und Patrick Waterhouse mit der Serie Ponte City.

Rund um das Viertel La Roquette finden die Projektionen während der Nuit de la Roquette statt

Weitere Veranstaltungen

Neben der bereits genannten Nuit De L’Anee, gehören weitere Veranstaltungen zum Rahmenprogramm. Dazu gehört das Symposium, verschiedene Panels, der Book Award, Book Signings, Ausstellungen der LUMA Foundation, der Nachwuchspreis vom SFR, nächtliche Projektionen im stimmungsvollen Theatre Antiques, Portfolio Reviews und mehr. Das umfangreiche Programm des Voies Off außen vor gelassen, gibt es also genug Möglichkeiten, sich abzulenken, sollte man einmal keine Lust auf Ausstellungen haben. Den kompletten Überblick über alle Angeboten bekommt Ihr auf der Website der Rencontres.

Freunde von idenpendent Fotobuchprojekten kommen übrigens beim »Super/Hyper Markt« und »Le Garage« auf ihre Kosten. »Super/Hyper Markt« besteht aus einem Ausstellungsraum mit vielen kleinen, unabhängigen Arbeiten und einem Buchladen. Organisiert wird dieses Event von der lokalen Galerie GALERIE 2600 und den Kölner Verlag Schaden.com. In La Roquette findet man die sympathische »Le Garage«, wo Fotobücher ausgestellt werden (fällt dieses Jahr leider aus, voraussichtlich 2013 aber wieder dabei). Ebenso sollte man beim Bummel durch die Stadt die Augen nach Popup-Ausstellungen offen halten.

Ich hoffe, ich konnte Euch ein wenig Lust auf einen Besuch in diesem Jahr machen. Wer von Euch wird ebenfalls bei den diesjährigen Rencontres sein? Schreibt mich über die bekannten Kanäle (E-Mail, twitter, Goolge+) an, wenn Ihr Lust auf ein kleines Treffen habt.

Der Autor

Till ist Fotograf, Blogger und Betreiber dieses Blogs. Sein Interesse gilt der Dokumentarfotografie, insbesondere klassischer Streetphotography, dem New Color Movement und dokumentarischer Landschaftsfotografie.